Der Lügner und sein Henker by Carlsson Christoffer
Autor:Carlsson, Christoffer [Carlsson, Christoffer]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann
veröffentlicht: 2016-07-26T10:20:21+00:00
ALS SIE ÜBER DIE LANDSTRASSE rauschen und an der Tankstelle vorbeikommen, begegnen sie einem dahinknatternden Traktor, auf dessen Fahrersitz ein alter Mann hockt, mit Kappe auf dem Kopf und Sonne im Rücken.
»Jedenfalls hatten sie Glück«, sagt Tove, »dass du das auf Gotland richtig verbockt hast.«
»Ich weiß.«
»Sie konnten es einfach ausnutzen und auf der Welle reiten.«
»Ich weiß.«
»Was man da auf der Aufnahme hört«, fährt sie gedehnt fort, »dass du ihr Sündenbock werden solltest, das verändert gar nichts für mich, ist das klar? Du bist und bleibst der, der Markus erschossen hat. Wenn du nicht wärst, würde er heute noch leben.«
»Ich dachte, du würdest mich totschlagen.«
Die Worte treffen Tove härter, als sie erwartet hat.
»Das dachte ich anfangs auch.« Ich muss es wissen, denkt sie. Ich muss es wissen. »Denkst du überhaupt noch daran?«
»Was meinst du?«
»An Markus.«
»Fast jeden Tag.«
»Lüg nicht.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich damit leben könnte. Also, ich habe nie geglaubt, dass ich noch einmal wie ein normaler Mensch funktionieren könnte, in einem Alltag, zur Arbeit fahren und mit Leuten über das Wetter reden und was sie im Urlaub machen und den ganzen Scheiß. Ich habe nie geglaubt, dass das möglich wäre. Und ungefähr neun Monate lang ging es auch nicht. Danach wurde es langsam besser. Aber ich habe nicht … ich gehe nicht auf eigenen Beinen.«
»Du meinst, du futterst Tabletten.«
»Ja.«
»Warum?«
»Um zu funktionieren.«
Sie nähern sich dem Marktplatz.
»Ich schlage vor, dass du dich das nächste Mal wehrst. Wenn ich dich wieder schlage, dann schütze dich. Sonst kann ich nicht garantieren, was passiert.«
Er schweigt lange.
»Ich weiß nicht, ob ich das will.«
»Ob du was willst? Dich wehren?«
»Ja.«
»Du bist ja echt richtig krank im Kopf.«
»Du weißt, dass ich nicht …. Es war ein Versehen. Ich habe Panik gekriegt.«
»Ich will nichts hören, was es wegerklärt.«
»So meine ich das nicht. Ich bin ein paar Tage vor dem Zugriff nach Visby geschickt worden. Wir hatten den Verdacht, dass die Verkäufer mit einem Schiff in den Hafen kommen würden, die Käufer hingegen mit dem Auto. Ich habe die Gegend gecheckt, habe mir Fuß- und Fahrwege zum Hafen hin und zurück gemerkt. Ich fühlte mich ängstlich und unsicher. Ich wusste nicht, warum, aber irgendetwas stimmte da nicht. Als wir Hinweise darauf bekamen, dass etwas faul war, wurde ich noch desorientierter und … Mein Leben war zu der Zeit durcheinander. Ich hatte mit meiner Freundin Schluss gemacht, wir hatten … das Leben war scheißschwer. In der Nacht, als der Zugriff erfolgen sollte, stand ich hinter einem der Gebäude im Hafen, um einen guten Überblick zu haben. Ein Motorboot ohne Beleuchtung kam angefahren. Das Boot legte an, und Schatten bewegten sich eilig und nervös um es herum. Sie luden Kisten ab. Ein großer Jeep rollte heran und blieb stehen. Jemand öffnete den Kofferraum. Die Käufer trafen auf die Verkäufer. Die Käufer wollten den Inhalt der Ladung nicht sehen …«
»Das weiß ich schon. Ich habe darüber gelesen. Die Käufer waren eine Vorortgang in Stockholm, die Verkäufer kamen von einem Syndikat. Die Ladung enthielt keine Waffen, sondern Plastikspielzeug und alte Zeitungen.«
»Es ist nie wirklich herausgekommen, wer sie reinlegen wollte«, fährt Leo langsam fort.
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